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Die Entwicklung der Wildbestände in Ungarn in den letzten hundert Jahren

Wie so oft in Europa zu beobachten, spiegelten auch in Ungarn die zur jeweiligen Zeit vorhanden Wildarten und deren Populationsgrößen die politischen Verhältnisse und die damit verbundenen Werthaltungen, vor allem die Jagd betreffend, wider.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Rotwildbestand in Ungarn, bis nach dem zweiten Weltkrieg, also in etwa bis 1950, eher niedrig war. Die Gesamtpopulation an Rotwild in Ungarn wurde damals auf etwa 10 000 Stück geschätzt. Die reifen kapitalen Hirsche erreichten Geweihgewichte von 7 bis 8 kg.

Die grundlegenden politischen Änderungen Anfang der 50er Jahre änderten auch vieles in der Land- und Forstwirtschaft. Viele Wälder wurden verstaatlicht und große Forstverwaltungen sowie landwirtschaftliche Kolchosen gegründet. Damit war unter anderem eine enorme Zunahme an Brachflächen verbunden, weil alle Sekundärflächen aus der Bewirtschaftung genommen wurden. Diese Zunahme an idealem Lebensraum und der geringe Jagddruck führten zu dem explosions-artigen Bestandszuwachs und in den 70er Jahren wurde der Höhepunkt mit über 100 000 Stück Rotwild erreicht. Aber auch die Trophäenqualität hatte zugenommen, die Geweihgewichte lagen immer öfter über 10 kg.

Damwild war bis in die späten 70er Jahre praktisch ohne Bedeutung, der Bestand wurde damals auf ca. 2 500 Stück geschätzt, viele davon lebten in Gattern. Bis zum heutigen Tag hat sich der Bestand in etwa verzehnfacht und verursacht in einigen Staatsforsten bedeutende Wildschäden.

Muffelwild kam erst 1901 nach Ungarn und der Bestand betrug um 1950 noch keine 100 Stück. 2008 wurde der Bestand auf 10 000 Stück geschätzt. Da sich große Teile der Muffelbestände in Gebieten mit zum Teil sehr seltenen Pflanzen befinden, gibt es die Forderung nach einer starken Reduktion des Muffelwildes.

Der Rehwildbestand erlebte seinen Höhepunkt um 1985. Zu dieser Zeit ergaben die Zählungen deutlich mehr als 300 000 Stück. Auch hier haben die landwirtschaftlichen Veränderungen um 1950 – plötzlich entstandene riesige Agrarflächen, die Ruhe und Nahrung boten – den Bestand in Ostungarn in die Höhe getrieben. Damals konnte man in den Wintermonaten Rudeln von Feldrehen mit 250 und mehr Stück beobachten. Die Rückkehr zu etwas kleineren Strukturen in den östlichen Landesteilen in den letzten zwei Jahrzehnten hat die Bestandsentwicklung abgebremst und zum Teil wieder rückgängig gemacht.

Auch in Ungarn entwickelten sich die Schwarzwildbestände ähnlich wie im restlichen Europa.        

Von zirka 10 000 Stück Anfang der 60er Jahre schnellte die Zahl 1995 auf 90 000 Stück hoch. Die Tendenz ist auch heute noch steigend und immer noch werden neue Regionen von Schwarzwild besiedelt.

Die Entwicklung des Niederwildes zeigt ein etwas anderes Bild als das des Schalenwildes. Die weltberühmten Niederwildjagden Ungarns gab es auch noch nach den Wirren des zweiten Weltkrieges. Damals wurde zum Beispiel ein Rebhuhnbesatz von 1,5 Millionen Stück angenommen. Dieser sank bis 2008 auf 50 000 Stück ! Beim Feldhasen gab es das, auch in Mitteleuropa zu beobachtende, Tief in den 90iger Jahren und seither geht es wieder bergauf mit den Hasen. Der Höhepunkt beim Fasanenbesatz um 1980, ist auf die intensive Nachzüchtung und das Aussetzen zurückzuführen. Heutzutage gibt es sehr wenige Reviere, die einen reinen Wildfasanenbesatz aufweisen.

Interessant ist auch die Entwicklung des Jagdtourismus in Ungarn. Obwohl der erste ausländische Jäger bereits 1957 in Ungarn jagte, setze der große Run erst in den 70er Jahren ein. Damals wurden pro Jahr im Schnitt 35 000 ungarische Jagdkarten für ausländische Jäger ausgestellt. Es war auch die Zeit, in der bei Rot- und Rehwild Weltrekordtrophäen in Ungarn erlegt wurden. Einige Jahre später wurde auch ein in Ungarn erlegter Damhirsch als weltstärkste Trophäe bewertet. Die steigenden Deviseneinnahmen auf der einen Seite und die Tatsache, dass keine Wildschäden an den Grundeigentümer bezahlt wurden auf der anderen Seite, ließen die Wildbestände weiter ansteigen.

Der Zusammenbruch des kommunistischen Systems und die Rückgabe der enteigneten Flächen führte zu einem Umdenken in der ungarischen Gesellschaft. „Grund und Boden“ waren nun nicht mehr als Staatseigentum namenlos, sondern hatte einen Eigentümer und der verlangte nun Schadenersatz für Wildschaden. In allen Revieren begann man nun die überhegten Wildbestände zu reduzieren. Auch durch die zunehmende Anzahl an Revieren – um 1980 war die gesamte ungarische Fläche auf etwas über 800 Reviere aufgeteilt; 2009 gibt es um die 1200 Reviere – stieg der Jagddruck. Trotzdem hat Ungarn noch immer in praktisch allen Landesteilen Reviere, die fantastische Jagden auf alle in Ungarn vorkommende Wildarten in freier Wildbahn anbieten.